Partizipative TA

190503 Focus Robots 63

Der «Focus» auf die öffentliche Meinung

TA-SWISS und Science et Cité führen seit 2016 gemeinsame partizipative Focus-Anlässe durch – eintägige Mitwirkungsverfahren, die jeweils in Bern stattfinden. Dabei wechseln sich moderierte Workshops mit Plenarveranstaltungen ab, in deren Rahmen die interessierte Öffentlichkeit unterschiedliche Aspekte einer neuen Technologie und ihrer Folgen diskutiert und entsprechende Erwartungen, Befürchtungen oder auch Fragen und Empfehlungen an die Politik formuliert. Die abschliessende Publikation zum Focus-Anlass fasst die von Fachleuten in den Workshops präsentierten Inputs zusammen und gibt in einem Stimmungsbericht ohne Anspruch auf Repräsentativität die Beiträge und Diskussionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder.

 

Strategischer Schwerpunkt

Innerhalb des Verbundes der Akademien der Wissenschaften Schweiz betreut TA-SWISS den strategischen Schwerpunkt der «partizipativen Technologiefolgen-Abschätzung». Partizipative Verfahren sind in einigen Ländern Europas zentraler Bestandteil der Politikberatung in wissenschaftlich-technischen Fragen. Sie geben den Meinungen, Einschätzungen und Befürchtungen einer nicht organisierten, aber im Vorfeld der Befragung «wohlinformierten» Teilöffentlichkeit Raum und weisen dieser eine beratende Rolle im Prozess der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit neuen Technologien zu. So werden die Ergebnisse partizipativer Verfahren z. B. in Form von «Bürgerempfehlungen» an die politischen Entscheider weitergegeben.

Verschiedene Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung gehören, neben Expertenstudien zu spezifischen Technologieentwicklungen, seit vielen Jahren zum Standardinstrumentarium von TA-SWISS, und die Stiftung gilt im europäischen Raum als Vorbild und Learning-Partner für diese Art von Verfahren. Den strategischen Schwerpunkt innerhalb von a+ bearbeitet TA-SWISS in Kooperation mit der Stiftung Science et Cité, die ihrerseits eine grosse Erfahrung im Umgang mit den Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Technik und einer breiteren Öffentlichkeit hat.

 

Internationale Partizipative TA-Projekte

TA-SWISS hat sich an verschiedenen internationalen Projekten zur partizipativen Technologiefolgen-Abschätzung beteiligt:

  • Surveillance, Privacy and Security (SurPRISE): Diskussionsforum zum Thema Sicherheitstechnologien, Überwachung und Privatsphäre
  • Parliaments and Civil Society in Technology Assessment (PACITA) - Ageing Society: Stakeholder-Workshop zu den Chancen und Risiken beim Einsatz von assistierenden Technologien in der Alterspflege und -betreuung
  • Citizen and Multi-Actor Consultation on Horizon 2020 (CIMULACT): Bürger- und Bürgerinnenforum zur Gestaltung der europäischen Forschungsförderung
  • World Wide Views on Global Warming (WWViews): Weltweites Bürgerbeteiligungs-Verfahren zum Thema Klimapolitik

Focus-Vorläufer: PubliForum und publifocus

Seit ihrem Bestehen gehört partizipative TA zu den Kernaktivitäten von TA-SWISS. Im Jahr 1998 führte TA-SWISS (damals noch «Programm für Technologiefolgen-Abschätzung des Schweizerischen Wissenschaftsrates») das erste PubliForum durch – und zwar zum Thema «Strom und Gesellschaft». Als methodisches Vorbild hierzu diente die in Dänemark entwickelte Konsensus-Konferenz, die in der Schweizer Variante um das Kriterium der Mehrsprachigkeit erweitert wurde. In einem ersten Schritt stellte TA-SWISS dafür ein Faktenblatt zusammen, das grundlegende Informationen zur Schweizer Stromversorgung und ihren Herausforderungen bündelte. Als nächstes wurde eine Gruppe von knapp 30 Bürgerinnen und Bürgern zufällig ausgewählt, die in ihrer demografischen Vielfalt möglichst die Schweizer Bevölkerung widerspiegeln sollte. Dieses Bürgerpanel traf sich an zwei Wochenenden, um sich – gestützt auf das Faktenblatt – auf die Fragen zu einigen, die es zu beantworten galt, und um anschliessend die Fachpersonen zu wählen, welche die Fragen beantworten sollten. Das eigentliche PubliForum erstreckte sich an einem weiteren Wochenende über vier Tage: Nachdem die zuvor definierten Fragen ausführlich mit den Fachpersonen und innerhalb des Bürgerpanels diskutiert worden waren, verfasste dieses am letzten Tag einen Bericht, der seine Sichtweise der Problematik und Empfehlungen zuhanden der politischen Entscheidungstragenden enthielt und der zum Abschluss des Anlasses publiziert wurde.

Ein weiteres PubliForum fand im Juni 1999 zu «Gentechnik und Ernährung» statt, ein drittes im November 2000 zum Thema «Transplantationsmedizin» und ein viertes im Januar 2004 zum Thema «Forschung am Menschen». Die Anlässe fanden breite Beachtung in den Medien und in der Politik. So flossen die Ergebnisse des PubliForum zur Transplantationsmedizin in die Botschaft zum Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen ein.

Die Methode des PubliForum erwies sich allerdings – insbesondere für die Mitglieder des Bürgerpanels – als äusserst aufwendig. Daher entwickelte TA-SWISS das schlankere Verfahren des publifocus. Auch hier wurde Wert darauf gelegt, dass Bürgerinnen und Bürger aus allen Schweizer Sprachräumen, verschiedenen Alters, unterschiedlichen Geschlechts und verschiedener Berufsgruppen beteiligt werden. Die Gespräche mit Expertinnen und Experten fanden dabei an einem Abend, dafür an mindestens drei unterschiedlichen Anlässen in der deutschen, französischen und italienischen Schweiz statt. Die Fachpersonen wurden von TA-SWISS ausgesucht, und auch die Redaktion des Schlussberichts, der die Diskussionen zusammenfasst, oblag TA-SWISS. Durch das solchermassen vereinfachte, auf die Argumentationsweise der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete Verfahren gelang es, wichtige Wesenszüge der PubliForen zu bewahren und trotzdem den Aufwand zu reduzieren. Heute konzentriert sich die Stiftung TA-SWISS auf die Durchführung von Focus-Anlässen, deren Format zusammen mit der Stiftung Science et Cité entwickelt wurde.

Bisherige Focus Veranstaltungen