Digitalisierung und Demokratie

Bürger und Institutionen angesichts der Digitalisierung der Demokratie in der Schweiz (2021)

Businesswoman pressing smiley face touch screen . Business Service Satisfaction concept

Digitalisierung hat das Potenzial, politische Abläufe, politisches Verhalten und damit unsere Demokratie grundlegend zu verändern. Angesichts des digitalen Wandels ruft TA-SWISS alle Verantwortlichen dazu auf, diese Veränderungen aktiv mitzugestalten. In drei Studien hat die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung verschiedene Aspekte der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Demokratie untersucht. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Der digitale Strukturwandel mit seinen riesigen Möglichkeiten zur Vernetzung macht auch vor der Politik nicht halt. Er erleichtert die Teilnahme am öffentlichen Geschehen, schafft neue Möglichkeiten der öffentlichen Diskussion und bereichert den politischen Meinungsbildungsprozess. Gesellschaft und Politik profitieren von dieser Entwicklung, werden von ihr aber auch beeinflusst.

Angesichts der grossen Bedeutung, die digitalen Medien und insbesondere sozialen Plattformen in dieser Hinsicht zugeschrieben wird, legt TA-SWISS drei Studien vor. Diese beleuchten die digital bedingten Veränderungen demokratischer Abläufe und politischer Kommunikationsformen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie sehen in der Digitalisierung der Politik ein bedeutendes Chancenpotenzial für den demokratischen Meinungsbildungsprozess, identifizieren aber auch eine Reihe von Herausforderungen. Diese sind eng mit den Vorteilen neuer digitaler Diskurskanäle verknüpft und zeigen damit deren Ambivalenz auf. Einerseits wird die Möglichkeit zur freien Meinungsäusserung verstärkt. Andererseits wächst die Gefahr unkontrollierter Verbreitung von Fehl- und Falschinformation, von Verzerrung und Manipulation.

Chancen

Dank neuen Diskurs- und Partizipationskanälen bietet die Digitalisierung Bürgerinnen und Bürgern einen schnelleren, umfassenderen und weniger selektionierten Zugang zu politischer Information. Das unterstützt die freie Meinungsbildung und ist ein riesiger Vorteil im demokratischen Schweizer System, das den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zahlreiche anspruchsvolle politische Entscheidungen abverlangt.

Werden Partizipationshürden beseitigt sowie die Kosten der Informationsbeschaffung und der Kommunikation reduziert, dann können Zielgruppen, die sich bisher an politischen Prozessen kaum beteiligten, leichter mobilisiert werden. Zudem können Ideen, Probleme und (kleine oder finanzschwache) Organisationen wahrgenommen werden, die der Öffentlichkeit zuvor verborgen blieben.

Online-Plattformen erlauben es politischen Organisationen, ihre Politik den Bürgerinnen und Bürgern direkter und transparenter nahezubringen. Journalistinnen und Journalisten können Social-Media-Informationen nach journalistischen Qualitätskriterien auswählen und einordnen und damit ihren Beitrag zur freien politischen Willensbildung auf die neuen Medien ausweiten.

Sogenannte Civic-Tech-Tools, d.h. digitale Instrumente zur Gestaltung des demokratischen Geschehens, wie zum Beispiel E-Collecting, fördern die gleichberechtigte Teilnahme an politischen Prozessen. Sie tragen so dazu bei, bestehende Ungleichheiten in der analogen Welt zu überwinden.

 

Risiken

Die Digitalisierung fördert möglicherweise in erster Linie die Partizipation von politisch bereits aktiven oder digital affinen Bürgerinnen und Bürgern, d.h. sie kann bestehende Partizipationsmuster und sozio-ökonomische Ungleichheiten zementieren oder gar verstärken.

Social-Media-Plattformen wurden nicht für den politischen Diskurs geschaffen und sind deshalb auch keine transparenten demokratischen Instrumente. Die oligopolartige Stellung grosser, rein kommerziell ausgerichteter Informationsvermittler verleiht ihnen jedoch einen unverhältnismässigen Einfluss auf den politischen Diskurs.

Mit der Verbreitungspotenz und -geschwindigkeit digitaler Inhalte können gezielt gestreute Fehlinformationen (Fake News) eine deutlich höhere Wirkung entfalten und damit die Polarisierung der Gesellschaft verstärken.

Neue digitale Partizipationsinstrumente wie E-Collecting können das politische System mit einer Vielzahl an Referenden überlasten. Neue Diskurs- und Partizipationskanäle können dazu führen, dass es einer auf Konkordanz ausgerichteten Politik schwerfällt, alle relevanten Stimmen zu moderieren.

 

Empfehlungen

Digitale Partizipationsplattformen vermögen Menschen zu mobilisieren, die sich politisch weniger beteiligen. Um Menschen, die einen erschwerten Zugang zur Digitalisierung haben, nicht zu benachteiligen, sollten immer auch analoge Möglichkeiten zur Teilnahme angeboten werden, um bestehende Ungleichheiten nicht zu verstärken und neue Mechanismen der Ausgrenzung zu verhindern. Zudem sollten die Plattformen einfach zu handhaben und in einer verständlichen Sprache verfasst sein.

Wenn das Ziel die demokratische Teilnahme möglichst aller ist, dann müssen auch die Kontrollmechanismen zur Überprüfung von Informationen allen zur Verfügung stehen. Zum Beispiel in Form von Faktenchecks durch spezialisierte Expertenplattformen oder durch die obligatorische Offenlegung der Absenderinnen und Absender bei politischen Kampagnen.

Der Bund sollte Massnahmen treffen, um die Kompetenz zur Informationssuche und verarbeitung, zu verbessern. Und zwar in Anbetracht des Durchschnittsalters der Urnengängerinnen und Urnengänger (57 Jahre) nicht allein in der Ausbildung, sondern auch in Form von nationalen Bildungs- und Präventionskampagnen.

Um Bestand zu haben, muss sich die Demokratie mit der Gesellschaft weiterentwickeln. Für eine ambivalente Entwicklung wie die Digitalisierung, die unsere Demokratie stärken, ihr aber auch schaden kann, gilt dies ganz besonders. Ihre Folgen sollten deshalb im Rahmen eines regelmässigen Monitorings geprüft und die Bevölkerung in die fortlaufende Debatte darüber einbezogen werden, wie die Demokratie digitalisiert werden soll.

 

Links und Downloads

Szenarien

Das Dezentrum hat im Rahmen seines Beitrags drei Szenarien mit spekulativen Objekten entwickelt. Die Objekte sind in der Ausstellung «Digitale Demokratie» im Polit-Forum Bern zu sehen. Die kompletten Szenarien stehen hier zum Lesen bereit.

In den Medien

TV

SRF Tagesschau - 17.8.2021
https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/8acdb2bf-7642-47a3-abd6-02c6162532ba?startTime=644

Radio

SRF Rendez-Vous - 17.08.2021
https://www.srf.ch/news/schweiz/digitale-politische-teilnahme-digitalisierung-birgt-chancen-und-risiken-fuer-die-demokratie

SRF Tagesgespräch - 17.08.2021
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/im-tagesgespraech-elisabeth-ehrensperger-ta-swiss?partId=12038580

Bundeshausradio (z.B. auf Radio Zürisee)
https://www.radio.ch/play/beitrage/digitalisierung-beeinflusst-demokratie-weniger-als-erwartet-30796/

RTS
https://www.rts.ch/info/suisse/12423800-quels-sont-les-impacts-de-la-numerisation-sur-la-democratie.html

RSI (ab Min 9)
https://www.rsi.ch/rete-uno/programmi/informazione/radiogiornale/Radiogiornale-14277321.html?f=podcast-xml&popup=html

Zeitungen

CH Media (Aargauer Zeitung, St. Galler Tagblatt, Luzerner Zeitung, etc.)
https://www.aargauerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/studie-fake-news-und-mehr-aufmerksamkeit-der-digitale-wandel-erreicht-die-politik-ld.2174599

NZZ
https://www.nzz.ch/schweiz/ist-die-digitale-demokratie-eine-bessere-demokratie-oder-gar-keine-mehr-panik-ist-fehl-am-platz-etwas-mehr-vorsicht-aber-wuerde-helfen-ld.1640877

24 Heures
https://www.24heures.ch/impliquer-population-et-politiques-dans-le-changement-numerique-89288055722

SDA (z.B. im Bieler Tagblatt Online)
https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/schweiz/wie-die-digitalisierung-der-demokratie-dienen-kann

Online Portale

Swissinfo (DE)
https://www.swissinfo.ch/ger/politik/schweiz-demokratie-digitalisierung-partizipation-inklusion-social-media-chancen-und-risiken/46880710

Swissinfo (EN)
https://www.swissinfo.ch/eng/politics/experts-assess-impact-of-digitisation-on-swiss-democracy/46875086

Medienkonferenz - 17.08.2021

Organisation

Projektdauer

November 2019 bis August 2021

Projektbeauftragte 1:

  • Urs Bieri, gfs.bern

Projektbeauftragte 2:

  • Melanie Eberhard, Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ

Projektbeauftragte 3:

  • Anna Boos, Dezentrum

Begleitgruppe

  • Moritz Leuenberger, Präsident der Begleitgruppe, Präsident des Leitungsausschusses von TA-SWISS
  • Bruno Baeriswyl, Datenschutzexperte, Mitglied des Leitungsausschusses von TA-SWISS
  • Alenka Bonnard, staatslabor
  • Florian Evéquoz, Appel Citoyen
  • Fabrizio Gilardi, Institut für Politikwissenschaft, Universität Zürich
  • Dr. Olivier Glassey, Sozial- und Politikwissenschaftliche Fakultät SSP, Universität Lausanne, Mitglied des Leitungsausschusses von TA-SWISS
  • Jürg Halter, Schriftsteller
  • Thomas Müller, Redaktor, Schweizer Radio und Fernsehen SRF, Mitglied des Leitungsausschusses von TA-SWISS
  • Barbara Perriard, Schweizerische Bundeskanzlei
  • Prof. Dr. Reinhard Riedl, Berner Fachhochschule BFH, Mitglied des Leitungsausschusses von TA-SWISS
  • Cédric Roy, E-Government Schweiz
  • Lara Tarantolo, Leiterin easyvote
  • Prof. Anke Tresch, FORS / Universität Lausanne
  • Monika Waldis, Zentrum für Demokratie Aarau